Elektrolok Ae 3/6 I 10693


 

Diese Bauart ist dem Wunsche entsprungen, sich vom Stangenantrieb zu lösen, der einer Steigerung der Fahrgeschwindigkeiten hemmend im Wege stand. Zur Hauptsache waren es Schüttelerscheinungen, die zu schaffen machten. Während auf der Antriebsseite die Triebräder kaum zu erkennen sind, werden sie auf der anderen nur leicht von den Kühlschlangen für das Transformatoren-öl verdeckt. Deshalb weisen diese Universal-Lokomotiven zwei verschiedene Seitenansichten auf. Auch sonst ist ihre Bauart und das Aussehen asymmetrisch: auf der einen Seite besitzen sie eine Bisselachse, auf der anderen ein zweiachsiges Laufgestell. Als im September 1921 die erste Ae 3/6‘ ausgeliefert wurde (sie erhielten anfänglich die Nr. 10301 - 10326.), glaubte wohl niemand an den großen Siegeszug, der ihrer Bauart bevorstehen sollte, die es mit dieser Achsfolge immerhin auf die stolze Zahl von 114 Einheiten brachte. Der BBC-Antrieb nach Buchli bewährte sich all die Jahre hindurch gut, auch wenn es zu Beginn viele Zweifler gab, welche wegen der weggefallenen Kupplung der Achsen heftiges Schleudern der Antriebsräder befürchteten. Es waren die Probelokomotiven Be 2/5 und Ae 4/8, deren Bewährung mit dem BBC-Antrieb sich hier positiv niederschlug. Der Tschanz-Antrieb wurde nicht weiter gebaut. Es war im Wesentlichen die BBC, welche diese Maschine entwickelte und in 76 Stück mit der SLM baute. Die Unterbringung des Transformators verursachte die asymmetrische Anordnung der Trieb- und Laufachsen. Er wurde über der hinteren Achse des Laufdrehgestells montiert. Da die Maschinen durch den einseitigen Antrieb auf der Antriebsseite besonders belastet wurden, war es natürlich, darüber den Seitengang an-zubringen (Fensterseite) und alle Apparate zum Gewichtsausgleich auf der entgegengesetzten Seite einzubauen. Diese Anordnung erlaubt einen guten Zugang zu allen Apparaten und Motoren, was von besonderer Wichtigkeit für die Wartung und Reparatur ist - heute ein selbstverständlicher Punkt, damals wurde jedoch mit jedem Typ Neuland beschritten. Die Höchstgeschwindigkeit betrug ursprünglich 90 Km/h. Die guten Laufeigenschaften zeigten, dass die Höchstgeschwindigkeit auf 100 Km/h heraufgesetzt werden konnte. Da die Schnellzüge mit 110 km/h fahren sollten und noch keine geeigneten Lokmotiven dazu vorhanden waren, wurden an den Ae 3/6‘ ab der Nummer 10637 die Rückstellfedern der Bisselachse und des Drehgestelles verstärkt und die Höchstgeschwindigkeit auf 110 Km/h heraufgesetzt. Sie erhielten die Bezeichnung Ae 3/6‘-110.

Der BBC-Buchli-Antrieb überraschte und befriedigte die Fachleute, denn die ersten Maschinen wurden sehr kritisch unter die Lupe genommen. Die Leistungsfähigkeit wurde auch dadurch bewiesen, dass neben der größeren Stückzahl dieses Typs auch die Ae 4/7 als verstärkte Version dieser Bauart in großer Zahl folgte. Ab der Loknummer 10677 wurden die Maschinen als Einheitslokomotiven gebaut. Verschiedene Baugruppen waren mit deren der Ae 4/7 identisch. Die Maschinen wurden in 10 Baulosen beschafft. Unsere 10693 gehörte zum neunten Baulos, welches 1927 ausgeliefert wurde. Den elektrischen Teil machte bei diesem Baulos die MFO.

Quelle: Claude Jeanmaire 1970, resp. Schweiz. Bauzeitung vom 8.Juli 1922 BBC-Mitteilungen, Mai 1922 und November 1925 

Technische Angaben der Ae 3/6 I 10693

Baujahr 1927
Inbetriebsetzung 1927
Herstellerfirma SLM und MFO
Leergewicht 93,8 t
Achsanordnung 2' Co 1'
Länge über Puffer 14,7 m
Triebraddurchmesser 1,61 m
Höchstgeschwindigkeit 110 km/h
Dauerleistung (bei 80 km/h) 1860 PS / 1395 KW
Zugkraft 147 KN
Achslager an allen Achsen Gleitlager

Kurzer Lebenslauf der Ae 3/6 I 10693

Einsätze der Ae3/6‘ bei den SBB

Unsere Lok wurde am 05.09.1927 von der SBB in Betrieb gesetzt. Ihr erstes Depot war Bern, wo sie bis 1978 verblieb. Von 1978 bis 1993 wurde sie vom Depot Olten aus eingesetzt. 1993 gelangte sie wieder zum Depot Bern, wo sie bis zu ihrer Ausmusterung nach einer totalen Fahrleistung von 5‘876‘084 km am 31.05.1994 verblieb. 

Unfälle

Die Lok blieb in ihrer langen Betriebsdauer aber nicht von Unfällen verschont. Im November 1932 entgleiste sie mit allen Achsen. Im Mai 1936 war sie an einem Zusammenstoss in Delsberg beteiligt. Im August 1941 stand sie in Bümpliz wieder neben den Schienen. Im Februar 1948 gab es wieder eine Kollision in Delsberg. Im September 1954 entgleiste sie in Lausanne erneut mit allen Achsen und im Januar 1964 stand sie erneut mit den Triebachsen neben den Schienen. Alle diese Unfälle überstand die robuste Maschine mittels Kontrollen und gewissen Reparaturen.

Unterhalt und Revisionen

Der Grossunterhalt und die grösseren Schäden wurden stets in der Hauptwerkstätte Zürich erledigt. Dort wurden sämtliche Revisionen und Umbauten durchgeführt. Im Laufe ihres Betriebslebens wurde einmal der Transformator ausgewechselt. Die Motoren wurden öfters getauscht. So wurde bei der Triebachse 1 der Motor 10 mal gewechselt. Bei der 2. Triebachse 11 mal und bei der 3. Triebachse 8 mal. Im ganzen Lokleben stand die Maschine 882 Tage in den Hallen der Hauptwerkstätte (HW) Zürich. Eine Hauptrevision, das heisst eine totale Überholung, dauerte durchschnittlich 35 -45 Tage, je nachdem welche Umbauten durgeführt werden mussten.

Beim Verein Mikado1244

Am 27. September 1994 wurde die Lok an Classic Rail verkauft. Dort wurde sie in Les Verrières in einem kleinem Depot hinter stellt. Wegen Geldmangel des Besitzers sollte sie verschrottet werden. Thomas Hagenbucher rettete die Lok vor dem Schneidbrenner und fragte beim Verein Mikado 1244 an, ob dieser sie aufarbeiten, betreiben und letztlich übernehmen wolle. Man wurde sich einig.

Am 2. September 2015 wurde die Lok mit der vereinseigenen Ae 6/6 abgeholt und nach Brugg gebracht. Zur Zeit wird in Brugg an der Lok gearbeitet und die Arbeiten nähern sich dem Ende zu. Es wird gerechnet, dass die Lok 2025 wieder in Betrieb gehen wird.